1980 – 1989

22. Landeshuter Kreisheimattreffen vom 29. bis 31. August 1980

Seit nun 30 Jahren treffen sich die Landeshuter in ihrer Patenstadt Wolfenbüttel. Zum diesjährigen Kreisheimattreffen hatten sich über 2000 ehemalige Landeshuter in ihrer Patenstadt Wolfenbüttel eingefunden.

1980 – Auftakt im Kaffeehaus von Wolfenbüttel.
1980 – Franz Hrabowsky.

Schon am Freitag reisten viele Besucher an, denn im Kaffeehaus neben dem Lessingtheater trafen sich die ehemaligen Schülerinnen und Schüler der weiterführenden Schulen aus dem Kreis Landeshut. Die Leitung der Veranstaltung lag in den Händen von Dipl.-Kaufmann Erich Hansing aus Eschborn und Berg-Ing. Franz Hrabowsky, Bottrop. Die Wiedersehensfreude war groß und man saß lange beieinander und steckte die Köpfe zusammen, um von seligen Kinder- und Jugendtagen zu erzählen und sich zu erinnern. Das Kaffeehaus war auch für die beiden folgenden Tage der Treffpunkt für Veranstaltungen außerhalb des offiziellen Programms.

Der Sonnabendvormittag war einer Stadtführung für Interessierte vorbehalten. Über die Fischerstraße ging es zur Trinitatiskirche, der Barockkirche der Patenstadt, die zur selben Zeit gebaut wurde wie die Landeshuter Gnadenkirche. Die lange Schlange der sechzig Teilnehmer wanderte über den Kornmarkt zur Hauptkirche Beatae Mariae Virginis und hörte die Erläuterungen über die Baugeschichte und über die besonderen Schönheiten des Renaissance-Gotteshauses. Man bewunderte die alten Fachwerkhäuser in der Reichsstraße und hörte am Markt einiges über die Baugeschichte des Rathauses und über die Verleihung des Stadtrechtes. Die Führung bewegte sich weiter entlang der Krambuden und endete am  Schlossplatz. So lernte man unsere Patenstadt etwas näher kennen.

1980 – Ein Blick in die Landeshuter Heimatstube im Wolfenbütteler Schloss.

Einer der Höhepunkte dieses Heimattreffens war am Nachmittag die offizielle Übergabe der Landeshuter Heimatstube. Lange war darüber gesprochen worden, endlich war es so weit. Bis zum letzten Augenblick hatten die Wolfenbütteler Heimatfreunde die zur Verfügung gestellten Erinnerungsstücke für die Präsentation vorbereitet. Dann trat der Wolfenbütteler Bürgermeister Heinz Dieter Eßmann ans Rednerpult und begrüßte die Anwesenden. Er betonte die Bedeutung der Heimatkunde und erklärte, dass vieles von den Landeshutern zusammengetragen worden sei und dass manches wegen Platzmangel noch nicht aufgestellt werden konnte. Eßmann dankte besonders Edelhard Rock, dem Sprecher der Landeshuter, den er einen unermüdlichen Streiter für die Idee der Heimatstube nannte. Dann übergab er Rock symbolisch einen überdimensionalen Schlüssel und damit die Heimatstube der Landeshuter.

1980 – Bürgermeister Heinz Dieter Eßmann übergibt symbolisch den Schlüssel der Heimatstube an Edelhard Rock.

Der Festabend fand in der Lindenhalle statt. Rock begrüßte die etwa tausend Gäste und hob besonders Oscar Pursch hervor, den mit 101 Jahren ältesten Teilnehmer des Treffens. Dann verlas Rock Grußworte u. a. vom Niedersächsischen Ministerpräsidenten Dr. Ernst Albrecht, vom Hildesheimer Bischof Heinrich Maria Janssen, von Dr. Herbert Hupka, dem Präsidenten der Landsmannschaft Schlesien, wie auch von Landrat Helmuth Bosse und Propst Karl-Heinz Oelker. Sodann mahnte Rock, dem „Schlesischen Gebirgsboten“ die Treue zu halten, ihn zu bestellen, wenn man ihn noch nicht bezöge, denn er stelle das einzige Bindeglied für die Landeshuter in der Vertreibung dar.

Nach der Rede folgte ein buntes Programm. Da sangen die Angehörigen des Cremlinger Folklore-Chores unter der Leitung von Konrektor Hans-Joachim Nehls bekannte schlesische Lieder, die bei den Landeshutern viel Zuspruch fanden. Natürlich ließ auch Fritz Winkler, der „singende Schmied“ aus Landeshut seine kräftige Stimme ertönen, und wem schlug das Herz nicht schneller, als das schlesische Heimatlied von Philo vom Walde zu hören war: „Wer die Welt am Stab durchmessen“? Dann waren zwei schlesische Frauen in Heimattracht zu sehen und zu hören. Hilde Körner und ihre Schwester Annemarie Goertz brachten einige Humoresken in schlesischer Mundart, sog. „Schnoken“ zu Gehör, die reizend anzuhören waren und mit denen sie viel Freude hervorriefen. Bei Tanz und fröhlicher Unterhaltung saß man beisammen und es wurde bis tief in die Nacht getanzt.

Der Sonntagmorgen war wieder den beiden Gottesdiensten vorbehalten. In der St.-Trinitatis-Kirche hielt der in Landeshut geborene Pastor Helmut Rosa, zuletzt in Halchter bei Wolfenbüttel, den Gottesdienst. Als Leitgedanke für seine Predigt hatte er das Psalmwort „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat“ ausgewählt. Für die Besucher der Trinitatiskirche war dies sicherlich ein Wort der Erbauung und des Trostes, daran erinnert zu werden, was für Segnungen und Wohltaten sie von Gott empfangen haben, trotz Vertreibung und Heimatlosigkeit, trotz aller Schmerzen über den Verlust lieber Menschen.

In der katholischen St.-Petrus-Pfarrkirche waren die Bänke bis auf den letzten Platz besetzt und viele standen dicht gedrängt hinten am Ausgang. Pfarrer Georg Strecker aus Hildesheim, früher Liebau, hielt die Predigt. Zu deren Auftakt zitierte er ein Wort des Kardinals Julius Döpfner: „Die Kirche ist heute eine große Baustelle…“ und folgerte, dass es ein Anliegen aller Christen werden müsse, „lebendige Bausteine“ zu sein, damit sei zugleich eine Neuorientierung an Gottes Geboten und seinem Gesetz verbunden. Den Schluss des Gottesdienstes bildete das ergreifende „Mutter Gottes, wir rufen zu dir“, der Grüssauer Marienruf, dessen 1941 niedergeschriebene Text von Maria Luise Thurmair stammt.

1980 – Die Feierstunde auf dem Landeshuter Platz.

Nach den Gottesdiensten fanden sich viele Schlesier und auch Wolfenbütteler Bürger auf dem Landeshuter Platz ein, um an der Heimatkundgebung teilzunehmen. Bei der Totenehrung fand Heinz Kulke besinnliche und einfühlsame Worte. Als dann das „Lied vom gutem Kameraden“ erklang, wurden am Ehrenmal die Kränze niedergelegt.

1980 – Die Totenehrung während der Kundgebung. Hildegard Körner und Annemarie Görtz, die Landeshuter Trachtenträgerinnen, dahinter Bürgermeister Heinz Dieter Eßmann und Stadtdirektor Helmut Riban, dann der stellvertr. Landrat Werner Otte und Oberkreisdirektor Dr. Hartmut Koneffke bringen die Kränze zum Denkmal auf dem Landeshuter Platz.

Anschließend begrüßte Edelhard Rock, der Sprecher des Arbeitskreises Landeshut, die Anwesenden. Der Erste stellvertretende Landrat Werner Otte übermittelte die Grüße des Wolfenbütteler Kreistages und bekundete seine Freude darüber, dass das Anliegen der Landeshuter nach einer eigenen Heimatstube endlich erfüllt werden konnte. Bürgermeister Heinz Dieter Eßmann führte in seiner Rede aus, dass jeder Mensch ein Recht auf eine Heimat in Freiheit habe, dass jeder Mensch nicht nur für den Augenblick arbeite, sondern dass zugleich für Kinder und Enkel gearbeitet und bewahrt werde. Die Geschichte habe jedoch gelehrt, dass es Menschen und Mächte gäbe, die das Recht auf Heimat missachteten. Damit nähmen sie den Kindern das, was deren Vorfahren erworben und aufgebaut hätten, so dass sie die Heimat oftmals mit weniger Gepäck verlassen, als ihre Ahnen gehabt hätten, als sie diese Heimat einst als Siedler und Kulturträger in Besitz nahmen. „Landeshut, Liebau, Schömberg sind ein Stück unseres Vaterlandes“, sagte Bürgermeister Eßmann wörtlich, und das war ein eindringliches und unüberhörbares Bekenntnis, für das die Landeshuter dem Bürgermeister der Patenstadt von Herzen dankbar waren.

1980 – Staatssekretär im Nieders. Ministerium für Bundesangelegenheiten Dieter Haaßengier.

Nach den Grußworten des Kreisvorsitzenden des Bundes der Vertriebenen Otto Kunath, trat der Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für innerdeutsche Beziehungen Dieter Haaßengier ans Rednerpult. Der Hauptredner führte zunächst aus, dass das Land Niedersachsen seine Aufgaben als Patenland von Schlesien sehr ernst nehme, auch wenn es innerhalb der Fraktionen des Landtages durchaus Kontroversen im Geschichtsverständnis gebe. Hier erwähnte er die aktuellen deutsch-polnischen Schulbuch-empfehlungen, die ein teilweise einseitiges und lückenhaftes Geschichtsbild zeichneten. Haaßengier empfand die Bildungs- und Wissens-lücken bei einem großen Teil der jungen Generation in Bezug auf die jüngere deutsche Geschichte bedrückend. Hier müsse durch die Regierung Albrecht dringend gegengesteuert werden. Der Staatssekretär empörte sich über den Versuch, die über 300 Patenschaften in der Bundesrepublik Deutschland mit ostdeutschen Städten aufzulösen und verwahrte sich in diesem Zusammenhang gegen den Vorwurf des Revanchismus. Für die Niedersächsische Landesregierung sei die Vertriebenenpolitik noch immer zeitgemäß und er erklärte, dass Niedersachsen als Patenland von Schlesien alles unternehmen werde, das kulturelle Erbe der Schlesier zu bewahren. Die Ansprache von Dieter Haaßengier wurde mit viel Beifall aufgenommen.

Nachmittags war nochmals Gelegenheit sich in der Lindenhalle zu treffen und die Gespräche zu vertiefen, bevor die meisten Gäste die Rückfahrt in ihre Heimatorte antraten. Am folgenden Montag nahmen dann noch rund hundert Personen wie schon vor zwei Jahren an einer Busfahrt zur Zonengrenze teil. In Langelsheim wurden die Teilnehmer von dem aus Mittelkonradswaldau stammenden Georg Kleinwächter begrüßt, der sie durch das dortige Heimatmuseum führte, das viele Exponate aus der ostdeutschen Heimat enthält. Die weitere Fahrt durch den Harz führte dann nach Goslar und über Schladen nach Hornburg. Hier gab es eine kurze Stadtführung, bevor die Gruppe weiter an die Zonengrenze fuhr. Nach einer ausführlichen Begehung mit sachkundigen Erklärungen kehrte die Gruppe in „Willeckes Lust“, einem schlichten Lokal nahe der Grenze, ein, um sich mit Kaffee und „Flaumakucha“ mit Schlagsahne zu stärken und noch ein wenig Geselligkeit zu pflegen. Dann trat man die Rückreise nach Wolfenbüttel in der Gewissheit an, einen schönen Ausklang des Heimattreffens erlebt zu haben.

23. Landeshuter Kreisheimattreffen vom 21. bis 23. August 1982

1982 – Plakette zum 23. Landeshuter Kreisheimattreffen.

Das diesjährige Landeshuter Kreisheimattreffen stand unter dem Motto: „250 Jahre Carl Gotthard Langhans“. Vor 250 Jahren wurde im Schulhaus an der Gnadenkirche der spätere Baumeister Carl Gotthard Langhans geboren, der größte Sohn unserer Stadt, den die Bundesrepublik Deutschland mit der Herausgabe einer Sonderbriefmarke ehrt. Außerdem übernahm und beurkundete vor 30 Jahren der Landkreis Wolfenbüttel die Patenschaft für den gesamten Landkreis Landeshut. Mehr als 2000 Landeshuter aus nah und fern waren in die Patenstadt gekommen, um an der großen Wiedersehensfeier teilzunehmen.

Am Freitag trafen sich wieder die ehemaligen Schüler des Carl-Gotthard-Langhans-Gymnasiums von Landeshut und aller weiterführenden Schulen des Landkreises im Kaffeehaus. Neben den vielen Wiedersehens- und Erinnerungsgesprächen war der Vortrag von Oberstudiendirektor Dieter Sperling von der „Carl-Gotthard-Langhans-Berufsschule“ in Wolfenbüttel der Höhepunkt der Veranstaltung. Er sprach über Carl Gotthard Langhans und sein Werk und nannte ihn einen der bedeutendsten Baumeister Preußens, der Stilmerkmale der Renaissance, des Barock und danach auch des Klassizismus in seine Baugestaltungen aufgenommen und ihnen Gestalt gegeben habe. In den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellte der Redner das Brandenburger Tor und seine Symbolkraft im Laufe der Geschichte. So ließ Napoleon nach der Unterwerfung Preußens die Quadriga, welche das Tor bekrönt, im Jahre 1807 nach Paris entführen. 1871 wurde dieses Werk von den deutschen Siegern über Frankreich aus Paris zurückgeholt und wieder auf das Brandenburger Tor gestellt. 1871 und 1918 zogen die deutschen Truppen, als sie aus den Kriegen heimkehrten, immer durch das Brandenburger Tor, einmal als Sieger, 1918 als Besiegte. 1933 hat auch Adolf Hitler seine braunen Kolonnen mit brennenden Fackeln durch das Brandenburger Tor ziehen lassen und 1945 hissten die Russen als sichtbares Zeichen ihres Sieges eine rote Fahne auf dem Brandenburger Tor, die am 17. Juni 1953 von Berliner Arbeitern heruntergeholt und statt dieser eine schwarz-rot-goldene Fahne – Sinnbild der Sehnsucht nach Wieder-vereinigung und deutscher Einheit – gehisst wurde.

1982 – Die Lindenhalle ist nahezu voll besetzt.

Am Sonnabend wurde vormittags wieder eine Stadtführung durch die Patenstadt angeboten, die von einer Reihe von Heimatfreunden wahrgenommen wurde. Am Nachmittag traf man sich in der Lindenhalle zu Heimatgesprächen und schon bald war der große Saal gefüllt. Zum großen schlesischen Heimatabend gab es kaum noch freie Plätze.

1982 – Die Trachtengruppe und der Heimatchor „Die Rübezahler“ aus Nienburg in der Lindenhalle.
1982 – Im Saal der Lindenhalle.

Zunächst betrat Edelhard Rock, der Sprecher der Landeshuter, das Podium und eröffnete die Veranstaltung. Unter den Gästen begrüßte er Helmut Sauer MdB, den neuen Vorsitzenden der Landsmannschaft Schlesien in Niedersachsen. Rock bedauerte, dass zu diesem Heimatabend kein Vertreter der Stadt und des Landkreises erschienen war. Das dann folgende Programm der „Nienburger Rübezahler“, einer Sing- und Trachtengruppe aus Nienburg an der Weser, war besonders hinsichtlich der gesanglichen Darbietungen, Heimatkunst von höchster Qualität. Viel Zuspruch und Beifall erhielten die Nienburger. Der Heimatabend wurde durch das Konzert-Trio Zam Jürges beschlossen, das zum Tanz aufspielte.

Der Sonntagvormittag war wieder den Gottesdiensten vorbehalten. Die evangelische Gemeinde fand sich in der voll besetzten St.-Trinitatis-Kirche zusammen. Den Gottesdienst leitete Pastor Dr. Worbs aus Haselbach, der auch die Predigt hielt. In der St.-Petrus-Kirche trafen sich die katholischen Gläubigen. Den Gottesdienst und die Festpredigt hielt in Konzelebration mit Pfarrer Georg Strecker aus Hildesheim, früher Liebau, der Geistliche Rat, Pfarrer i. R. Johannes Bischof, jetzt in Passau im Ruhestand. Pfarrer Bischof übermittelte der Gemeinde zunächst die Grüße von Pater Ambrosius Rose OSB und Pfarrer Görlich. In seiner Predigt ging er dann auch auf den Begriff ‚Heimat‘ ein und erläuterte, dass man ‚Heimat‘ im Elternhaus, in der Heimatkirche, der Schule, in der Jugendzeit erlebe, dass aber auch Freunde und Nachbarn dazu zählten. Ferne könne auch dort Heimat entstehen, wo man seine Pflicht erfülle und wo Menschen auf uns warteten. Damit wollte er darauf hinweisen, dass wir alle wieder ein Stück Heimat in der Fremde erworben hätten, da wir mit Fleiß und Pflichtgefühl unserer Arbeit nachgegangen seien und somit unserem Volk gedient hätten. Schließlich rief der Pfarrer seine Landsleute auf, durch den Glauben an Christus und Gott Freude am Leben zu haben.

1982 – Edelhard Rock begrüßt die Heimatfreunde aus nah und fern auf dem Landeshuter Platz.

Nach den Gottesdiensten versammelten sich die Teilnehmer zur großen Heimatkundgebung auf dem Landeshuter Platz. Die Nienburger „Rübezahler“ mit ihrem Vorsitzenden Bruno Bürgel nahmen hinter dem Rednerpult Aufstellung und sorgten für die musikalische Umrahmung der Kundgebung. Zunächst trat Edelhard Rock, der Vorsitzende des Arbeitskreises Landeshut, ans Mikrophon und begrüßte die Teilnehmer und Ehrengäste. Rock gedachte sodann des großen preußischen Baumeisters Carl Gotthard Langhans. Nach den Chordarbietungen des Gesangvereins Groß Denkte erfolgte die Totenehrung durch Heinz Kulke und zu dem „Lied vom guten Kameraden“ erklangen die Grüssauer und Liebauer Glocken vom Band.

1982 – Totenehrung auf dem Landeshuter Platz. Landrat Ernst-Henning Jahn, der stellvertr. Bürgermeister von Wolfenbüttel Dr. Dorow, Edelhard Rock, der frühere Oberkreisdirektor Dr. Heinz Gleitze und Stadtdirektor Helmut Riban (von links).
1982 – Helmut Sauer, MdB aus Salzgitter, der neue niedersächsische Vorsitzende der Landsmannschaft Schlesien, hält die Festansprache.

Der Bundestagsabgeordnete Helmut Sauer, der seit kurzer Zeit auch niedersächsischer Landesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien ist, sprach dann zu den Versammelten auf dem Landeshuter Platz. Er richtete in seiner Ansprache einen eindringlichen Appell zur heimatlichen Treue an alle Schlesier und erinnerte an die vielen Heimattreffen Ostdeutscher, die in den vergangenen Monaten bereits stattfanden und wo mehr als 600.000 Menschen ein Bekenntnis zur ost-deutschen Heimat ablegten. Dass die Landsmannschaften keine Gefahr für den Frieden darstellten, betonte Sauer erneut und verwies dabei auf die „Charta der Vertriebenen“, in der ausdrücklich auf Rache und Vergeltung verzichtet wird.

Während der Dank- und Schlussansprache von Edelhard Rock war, viele unserer Landsleute ahnten es bereits seit Wochen, auch Resignation zu spüren. Allein gelassen, auch von denen, die einmal die Patenschaft für Landeshut übernahmen, wird die Last wohl zu schwer, die über 30 Jahre tapfer getragen wurde. „Patenkinder“ sind keine „Bettelkinder“, die mit kleinster öffentlicher Unterstützung gute Arbeit leisten können. Rock merkte an: „Wenn wir hier nicht stärker zusammenstehen, wird es 1984 sicher keine 650 Jahrfeier der Stadt Landeshut in Wolfenbüttel geben.“ Nachdem die dritte Strophe des Deutschlandliedes gesungen war, fand die Kundgebung ihr nachdenkliches Ende.

1982 – Edelhard Rock während der Dank- und Schlussansprache.

Der restliche Sonntag war wieder der heimatlichen Begegnung in der Lindenhalle vorbehalten. Im Restaurant sorgten die Landeshuter zunächst für ihr leibliches Wohl bei Kaffee und Kuchen und anderen Köstlichkeiten. Noch lange saß man in kleinen und größeren Gruppen beisammen, manche hatten sich seit Jahrzehnten nicht gesehen und oft hörte man die Worte „weißt Du noch …?“ und „kannst Du dich noch an … erinnern?“.

Am Montag fand dann wieder eine Grenzlandfahrt mit etwa hundert Teilnehmern verteilt auf zwei Busse statt. Ausgangspunkt war das Kaffeehaus. Die Fahrt führte vorbei an den alten Klosteranlagen von Dorstadt und Heiningen, über Schladen, Vienenburg nach Goslar, der alten Kaiserstadt. In Goslar wurde die Brieger Heimatstube besucht, die aus mehreren Stuben und Zimmern besteht und wo alle Exponate übersichtlich ausgestellt werden konnten. Anschließend war Zeit für einen individuellen Stadtrundgang durch Goslar. Es schloss sich eine Fahrt durch den Harz an, durch alte Bergmannstädte, zu den Talsperren bis zum Torfhaus, wo mit Blick auf den Brocken, die aktuelle Situation an der innerdeutschen Grenze erläutert wurde. Über Bad Harzburg ging es zurück in den Grenzkreis Wolfenbüttel über Schladen nach Hornburg, wo die Teilnehmer noch eine Stadtführung erwartete. Edelhard Rock sprach noch abschließende Worte, bevor die Reise in der Gaststätte „Willeckes Lust“ ihren Abschluss fand.

24. Landeshuter Kreisheimattreffen vom 17. bis 19. August 1984

1984 – Einladung zur 650-Jahr-Feier der Stadt Landeshut in der Patenstadt Wolfenbüttel.

Wolfenbüttel hatte ein Festkleid angelegt. Auf der Breiten Herzogstraße und dem Stadtmarkt wehten bunte Fahnen. Dieser Anblick versetzte viele Teilnehmer des Landeshuter Kreis-heimattreffens in festliche Stimmung. Die großformatigen Plakate zum Heimattreffen, die hier und dort in den Schaufenstern der Stadt hingen, waren nicht zu übersehen. Im Laufe des Wochenendes trafen sich 2500 Landeshuter „Patenkinder“ in Wolfenbüttel. Im Mittelpunkt dieses Treffens stand die 650-Jahr-Feier der Stadt Landeshut. Doch zunächst begannen die Veranstaltungen am Freitag wieder mit dem Wiedersehen der ehemaligen Schüler der weiterführenden Landeshuter Schulen im Kaffeehaus. Eine große Anzahl Ehemaliger versammelte sich zu begeistertem Erzählen, denn die weit zurückliegenden Schuljahre bargen so viele Erinnerungen, über die man sich unbedingt austauschen musste. Von Bedeutung war ein Referat des 1931 Liegnitz geborenen Freiherrn Sigismund von Zedlitz aus dem Hause Neukirch an der Katzbach, der vierzehn Jahre zählte, als er die schlesische Heimat verlassen musste. Freiherr von Zedlitz, dessen Familie in Schlesien erstmals 1275 nachweisbar ist, berichtete davon, dass Schwarzwaldau einst seiner Familie gehörte und sie in der Klosterkirche zu Grüssau eine eigene Familienkapelle besaß, die leider bei den Hussitenstürmen zerstört wurde. Freiherr von Zedlitz erklärte, dass er sich um enge Kontakte zu der restdeutschen Bevölkerung in Schlesien bemühe, aber auch zu den Polen. Sein besonderes Anliegen sei es, Brücken von Westen nach Osten, aber auch von Osten nach Westen zu bauen und  gegenseitige Vorurteile und Klischees zu verringern. Das Referat war ein guter Auftakt für das Heimattreffen und fand reichlich Beifall.

Für den Nachmittag hatten Stadt und Landkreis Wolfenbüttel zu einem Empfang im Venussaal des Schlosses eingeladen. Bürgermeister Heinz Dieter Eßmann führte in seiner kurzen Rede aus: „Dieser Empfang ist für uns keine repräsentative Pflichtübung, sondern ein echtes und von menschlicher Wärme erfülltes Anliegen. Wir fühlen mit Ihnen die unendliche Schwere der Heimatlosigkeit.“ Der Bürgermeister der Patenstadt führte weiter aus, dass das Recht auf Heimat auch in der Gegenwart lebendig sei und dass es den Heimatvertriebenen auf Dauer nicht vorenthalten werden dürfe. Mit herzlichen und aufrichtigen Dankesworten an den Bundessprecher der vertriebenen Landeshuter, Edelhard Rock, schloss Bürgermeister Eßmann seine Ansprache.

Dann folgte die Rede des Landrates des Kreises Wolfenbüttel Ernst-Henning Jahn. Er führte aus, dass im Jahre 1934, als man die 600-Jahr-Feier in Landeshut beging, wohl niemand daran gedacht hätte, dass die 650-Jahr-Feier so fern der Heimat begangen werden würde. Jahn sagte weiter: „Mit der Heimat ist das so wie mit der Freiheit – dass man ihren Wert erst richtig würdigt und erkennt, wenn man sie verloren hat. Heimat gibt es nur einmal – alles andere ist Ersatz. Ihr Recht auf Heimat besteht fort, auch wenn Sie sie verlassen mussten.“ Er schloss seine eindrucksvolle Rede: „Die gemeinsame Aufgabe ist es, eine Gesellschaft zu schaffen, in der sich das, was einmal im deutschen Namen geschehen ist, nicht wiederholt.“ Danach ließ sich Edelhard Rock mit seinen Dankesworten an Stadt und Landkreis Wolfenbüttel vernehmen. Der erste Tag des Heimattreffens wurde im Kaffeehaus neben dem Lessingtheater fortgeführt. Ein gemütliches Beisammensein mit heiteren Kurzvorträgen, vorgetragen von Mitgliedern der Landsmannschaft Schlesien und der Landeshuter Heimatgruppe Braunschweig/Wolfenbüttel, bildete den Ausklang und natürlich gab es wieder viel zu erzählen und zu erinnern.

Die offizielle Eröffnung des Landeshuter Heimattreffens fand am Sonnabendvormittag im Rahmen einer Festlichen Stunde im Lessingtheater statt. Umrahmt wurde diese mit klassischer Bläsermusik vom „Ventus-Bläser-Quintett“. Edelhard Rock, der Sprecher der Landeshuter, eröffnete die Veranstaltung und hieß alle Landeshuter und die Ehrengäste willkommen.

1984 – Festliche Stunde zur Eröffnung des Landeshuter Heimattreffens im Lessingtheater. Stellvertr. Stadtdirektor Dr. Jürgen Poerschel, stellvertr. Landrat Pastor Rudolf Quitte und Prof. Dr. Josef Joachim Menzel aus Mainz, der aus Neisse stammt (von links).

Als Vertreter der Patenstadt Wolfenbüttel begrüßte sodann der stellvertretende Stadtdirektor Dr. Jürgen Poeschel die Versammelten. Als Vertreter des Landkreises ergriff der stellvertretende Landrat Pastor Rudolf Quitte das Wort, ehe Prof. Dr. Josef Joachim Menzel aus Mainz, der aus Neisse stammt, den Festvortrag hielt. Das Thema: „Landeshut und sein Umland im Rahmen der schlesischen Geschichte“. Sein Vortrag gab einen fundierten Überblick über die geschichtliche Entwicklung Schlesiens und Landeshuts von der frühen Besiedlung bis zur Vertreibung, mit all seinen wirtschaftlichen und kulturellen Höhen und Tiefen. Prof. Dr. Menzel beschloss seinen Vortrag wie folgt: „Die augenblicklichen politischen Gegebenheiten sind genauso wenig unabänderlich wie die zuvor. Wir müssen lernen, historisch in langen Zeiträumen und großen Zusammenhängen zu denken – wie andere Völker auch“.

1984 – Das Platzkonzert der „Lustigen Woltwiescher Musikanten“ im Innenhof des Schlosses.

In schöner Atmosphäre fand danach im Schlosshof ein Platzkonzert statt. Die „Lustigen Woltwiescher Musikanten“ boten ein buntes Programm von Volksliedern und Gesangsvorträgen. Dazu trug die Kulturgruppe des „Schlesiervereins Bergkamen“ in schlesischen Trachten Volkstänze vor. Besonderen Applaus erhielt die Kindertanzgruppe des „Verbandes der Schlesiervereine Westdeutschlands“. Viele Landeshuter nutzten die Gelegenheit, der Landeshuter Heimatstube einen Besuch abzustatten.

Abends trafen sich die Landeshuter zu einem großen Heimatabend in der festlich geschmückten Lindenhalle. Im Foyer bot ein Wolfenbütteler Buchhändler schlesische Literatur und Radierungen von Friedrich Iwan zum Verkauf an. An den Tischen in der Halle drängten sich Jung und Alt. Jeder suchte nach Freunden und Nachbarn seiner alten Heimatgemeinde.

1984 – Edelhard Rock begrüßt die Teilnehmer des Landeshuter Heimattreffens in der Lindenhalle.

Etwa 1200 Heimatfreunde saßen und standen dort beisammen, als Edelhard Rock die Besucher des Heimattreffens begrüßte. Grußbotschaften wurden verlesen. So hatte der von allen Landeshutern bestens bekannte Kaufmann Hamburger von Amerika aus geschrieben. Besonderen Beifall fanden die Grüße der Gräfin Maria von Schaffgotsch. Rock begrüßte die beiden Geistlichen Pastor Wolf-Albrecht Muther aus Oldenburg und Konsistorialrat Wolfgang Gottstein aus Ulm. Unter der Gesamtleitung von Kulturwart Werner Bettermann boten die „Bergkamener“ ein abwechslungsreiches Programm mit Gesang und Volkstanz. Fritz Heinzel trug Dichtung in schlesischer Mundart vor und erntete damit viel Beifall. Am späteren Abend spielte die Kapelle „Zam Jürges“ wieder zum Tanz auf, und immer wieder wurden Erinnerungen ausgetauscht und bis in die tiefe Nacht alte und neue Fotos angesehen.

Der katholische Gottesdienst fand am Sonntag in der St.-Petrus-Kirche statt und die Kirchenbänke waren bis auf den letzten Platz gefüllt. Auch viele Wolfenbütteler hatten sich eingefunden, denn es galt ja, den noch immer bestens bekannten und verehrten ehemaligen Kaplan von St. Petrus, den jetzigen Weihbischof Heinrich Machens aus Hildesheim, wiederzusehen und zu hören. Das herrliche Orgelspiel gab den Auftakt zu der Eucharistiefeier mit zwei schlesischen Priestern – Konsistorialrat Wolfgang Gottstein und Friedlandpfarrer Msgr. Peter Görlich. Bischof Machens hielt eine eindrucksvolle Predigt, in der er ausführte, dass sich das Heimatrecht nur verwirklichen lasse durch eine Einheit aller Völker und wenn der Glaube an Gott unter den Menschen das Vorrecht habe. Die evangelische Gemeinde versammelte sich in der St.-Trinitatis-Kirche. Propst Ernst-Burkhard Müller hatte ein Grußwort verfasst, das zu Beginn des Gottesdienstes verlesen wurde. Die Predigt hielt der gebürtige Landeshuter Pastor Wolf-Albrecht Muther aus Oldenburg.

Eine große Anzahl heimattreuer Landeshuter versammelte sich nach den Gottesdiensten auf dem Landeshuter Platz, der mit Fahnen geschmückt war. Für die älteren Teilnehmer waren ein paar Stuhlreihen aufgestellt worden, die sehr schnell besetzt waren. Edelhard Rock hatte eine große Anzahl an Ehrengästen zu begrüßen, zu denen besonders Weihbischof Heinrich Machens zählte. Rock dankte der Stadt Wolfenbüttel und dem Landkreis für die vieljährige Hilfe und Unterstützung.

1984 – Die Kindergruppe des Verbandes der Schlesiervereine Westdeutschlands findet viel Anklang.

Die Totenehrung sprach Heinz Kulke und dabei konnte man manches Taschentuch sehen, mit dem über die Augen gewischt wurde. Die Schrecken der Vertreibung sind auch nach so langer Zeit nicht vergessen. Während der gesprochenen Worte legten Edelhard Rock im Namen der Landeshuter, Landrat Ernst-Henning Jahn und Oberkreisdirektor Dr. Hartmut Koneffke für den Patenkreis, der stellvertretende Bürgermeister Axel Gummert und der stellvertretende Stadtdirektor Dr. Jürgen Poeschel für die Stadt Wolfenbüttel Kränze am Landeshuter Ehrenmal nieder.

1984 – Die Totenehrung am Landeshuter Denkmal. Edelhard Rock, Landrat Ernst-Henning Jahn MdL, stellvertr. Bürgermeister Axel Gummert, stellvertr. Stadtdirektor Dr. Jürgen Poerschel und Oberkreisdirektor Dr. Hartmut Koneffke (von links).

Die große Festansprache hielt Landrat Ernst-Henning Jahn, MdL, dem die Heimatarbeit der Landeshuter und der Ostdeutschen durch seine politische Tätigkeit im Landkreis bestens bekannt ist. Er erinnerte an die erste große Vertriebenenkundgebung am 19. August 1950 in Wolfenbüttel, der seitdem viele bedeutsame Treffen folgten. Der Landrat machte deutlich, dass aus dem Unrecht der zwölfjährigen Herrschaft des Hitler-Reiches neues Unrecht erwachsen sei und Unrecht keine Basis für eine gedeihliche Zusammenarbeit der Völker sei. Dann erinnerte Jahn an die ersten Nachkriegsjahre, als der Landkreis Wolfenbüttel, der damals 90.000 Einwohner zählte, 48.000 Heimatvertriebene aufnehmen musste. Damals wurde der Grundstein zu einem gemeinsamen Wiederaufbau gelegt. Mit berechtigtem Stolz konnte Jahn sagen: „Der Landkreis Wolfenbüttel ist der erste in der Bundesrepublik Deutschland gewesen, der eine Patenschaft zu einem Kreis in Ostdeutschland ins Leben gerufen hat!“.

Fast war das Landeshuter Treffen schon vorbei, da gab es am Montag noch zwei bedeutende Höhepunkte. Um sieben Uhr in der Frühe fuhren drei Omnibusse mit einhundert Heimatfreunden nach Schlesien, nach Landeshut und Grüssau, die natürlich mit vielen guten Wünschen bedacht wurden. Und dann gab es eine weitere allerletzte Zusammenkunft, als rund fünfzig Heimatfreunde eine Tagesfahrt entlang der Zonengrenze antraten. So fuhren wir über Halchter, Dorstadt, Heiningen nach Schladen mit seiner uralten Domäne, deren Geschichte bis in die Zeit der alten Sachsenkaiser zurückreicht. Über das „Kreuz des deutschen Ostens“ erreichte die Gruppe das Torfhaus, wo gehalten wurde. Dann rollte der Bus weiter nach Braunlage und Hohegeiß. Hier vor der Ortschaft verläuft die Zonengrenze unmittelbar längs der Fahrstraße. Über Zorge, einem Luftkurort, kamen wir nach Walkenried. Nach einem kurzen Rückblick zur Geschichte des Klosters, von dem nur noch eine Ruine erhalten ist, fuhren die Teilnehmer nach Bad Sachsa weiter. Vom 670 m hohen Ravensberg aus sah man ganz in der Ferne die dunklen Umrisse des Kyffhäuser-Gebirges. Schließlich trat man die Rückfahrt nach Wolfenbüttel an und am späten Nachmittag war das 24. Landeshuter Kreisheimattreffen endgültig beendet.

25. Landeshuter Kreisheimattreffen vom 12. bis 15. September 1986

Edelhard Rock, 1908 – 1985.

Der langjährige Sprecher der Landeshuter, Edelhard Rock, war am 7. März 1985 verstorben. Seine Frau Amalie, die sich nach dem Tode ihres Mannes in aufopfernder Weise für den Fortgang der Landeshuter Heimatarbeit eingesetzt und schon Pläne für das 25. Kreisheimattreffen gefasst hatte, war am 13. März 1986 ebenfalls verstorben. So war zunächst völlig offen, ob überhaupt ein Heimattreffen organisiert werden könnte. Doch zum Glück fand sich in dem gebürtigen Landeshuter Karl Vogt ein geeigneter Nachfolger, der bereit war, die anstehenden Aufgaben zur Vorbereitung und Durchführung des 25. Landeshuter Kreisheimattreffen in der Patenstadt zu übernehmen. In Gesprächen mit den Vertretern der Stadt und des Kreises Wolfenbüttel wurde tatkräftige Unterstützung versprochen. So konnte das Treffen beginnen. Rund 1400 Besucher aus der schlesischen Heimat fanden zum 25. Landeshuter Kreisheimattreffen schließlich den Weg nach Wolfenbüttel.

Am Freitag trafen sich zunächst die ehemaligen Schüler der weiterführenden Schulen von Landeshut und Liebau im Kaffeehaus Wolfenbüttel, neben dem Lessingtheater. Franz Hrabowsky konnte viele Ehemalige begrüßen und manche Streiche der Schulzeit lebten in der Erinnerung wieder auf.

Stadt und Kreis Wolfenbüttel hatten zu einem feierlichen Empfang in den Venussaal des Schlosses geladen. Bürgermeister Heinz Dieter Eßmann begrüßte die Anwesenden in einer kurzen Ansprache. Mit seinen Worten stellte er sich direkt neben die Vertriebenen und bekannte sich zu ihrer Heimattreue, zu ihrer Liebe zu Schlesien und zum Kreis Landeshut. „Unrecht kann nicht lange durchgehalten werden, irgendwann kommt auch für Sie wieder der Tag der Freiheit!“.

Danach sprach der Ortsvorsitzende der Landsmannschaft Schlesien, Heinz Kulke, und erinnerte an die vielen Heimatvertriebenen, die nach dem Zweiten Weltkrieg arm und heimatlos in Stadt und Kreis Wolfenbüttel ankamen und hier eine neue Heimat suchten, was oftmals mit Schwierigkeiten verbunden war. Schließlich fand man doch zu einem guten Zusammenwirken zwischen Einheimischen und Vertriebenen, das dann auch deutlich durch die Patenschaft, für die sich in besonderer Weise Edelhard Rock eingesetzt hatte, zum Ausdruck kam.

Landrat Ernst-Henning Jahn erinnerte in seiner Ansprache an Edelhard Rock, der sich um Wolfenbüttel große Verdienste erworben habe und betonte ausdrücklich, dass die Geschichte des Neuaufbaus der Stadt Wolfenbüttel entscheidend von den Vertriebenen mitgeschrieben worden sei.

Am Abend, der weitgehend von den Klassentreffen geprägt war, fand im Kaffeehaus ein kleiner Heimatabend statt. Da wurde geplaudert und erzählt und es galt, alte Erinnerungen auszutauschen und mit leisen Worten auch derer zu gedenken, die nicht mehr unter den Lebenden weilten. Auf dem Programm stand der Lichtbildervortrag „Zwischen Salzbrunn und Hiddensee“, welcher von Kreisverwaltungs-Direktor Heinz Saipt, einem Schlesier aus Salzbrunn, gehalten wurde. Damit sollte ein Lebensbild des Dichters Gerhart Hauptmann entworfen werden, dessen Todestag sich in diesem Jahre zum 40. Mal jährte.

Für die auswärtigen Besucher wurde am Sonnabendvormittag wieder eine Stadtführung angeboten, an der viele Heimatfreunde teilnahmen. Unter sachkundiger Begleitung wurden die wesentlichen Sehenswürdigkeiten der Patenstadt erkundet. Am frühen Nachmittag trafen sich Karl Vogt und einige Heimatfreunde mit den Söhnen und Schwiegertöchtern von Edelhard Rock, um an der Grabstätte der Familie Rock zum Gedenken einen Kranz niederzulegen. In einer kleinen Ansprache würdigte Karl Vogt die so großartige Lebensleistung des Verlegerehepaares.

1986 – Gedenken am Grab der Familie Rock. Karl Vogt, Heinz Kulke, Richard Radetzki, Angehörige der Familie Rock, Freunde und Weggefährten der Familie (von links).

Nach dieser bescheidenen Gedenkfeier begaben sich die Teilnehmer in die Lindenhalle, wo schon viele Landeshuter versammelt waren, sich mancherlei Dinge von früher erzählten oder auch Neuigkeiten der letzten Jahre austauschten. Den Festabend des 25. Landeshuter Kreisheimattreffens eröffnete Karl Vogt mit seinen Begrüßungsworten und gab zugleich einen Rückblick auf die Patenschaftsarbeit, die bereits seit 35 Jahren währt. Er erinnerte dabei u. a. an die Ferienaktionen der Landeshuter Kinder im Kreisgebiet. Anschließend überbrachte Landrat Ernst-Henning Jahn die Grüße der Stadt und des Kreises Wolfenbüttel und bekannte sich zu dem Vorsatz, ein zuverlässiger Partner der Landeshuter sein zu wollen. Mit Freude und Interesse wurde dann die Ansprache aufgenommen, die Helmut Sauer MdB aus Salzgitter an die vielen Landeshuter richtete. So beglückwünschte er diese zum Landrat Ernst-Henning Jahn, der sich aus ehrlichem Herzen zur Patenschaft und den daraus sich ergebenden Aufgaben bekannte. Schließlich ermahnte er die Landeshuter, viele und anregende Heimatgespräche zu führen, denn Schlesien sei nicht Vergangenheit, es sei auch Gegenwart und wir alle müssten die Kultur unserer Heimat, die schlesische Kultur, nach draußen tragen.

1986 – Die Bobertoaler Trachtaleute beim schlesischen Heimatabend in der Lindenhalle.

Anschließend erschienen die bereits erwarteten und angekündigten „Bobertoaler Trachtaleute“ aus Scheeßel in ihren schlesischen Trachten. Sie vermittelten ein farbenfrohes Bild und tanzten, sehr zur allgemeinen Freude der Landeshuter Heimatfreunde im Saal, eine Reihe schlesischer Volkstänze. Zwischendurch gab es Gedichtvorträge in schlesischer Mundart, mit Ernst Schenkes „Lacht ihr Leute“ wurde der Anfang gemacht. Bei Tanz und reger Unterhaltung verlief der Abend in harmonischer Weise bis weit nach Mitter-nacht.

Traditionell fanden am Sonntagmorgen die Gottesdienste statt. Die St.-Petrus-Kirche, wo um zehn Uhr der katholische Gottesdienst begann, war nicht so voll wie noch in den Jahren zuvor, wenn sich die Landeshuter katholischen Glaubens in Wolfenbüttel versammelten. Die Predigt hielt Monsignore Peter Görlich, der Vertriebenenseelsorger von Friedland. Er verknüpfte seine geistlichen Worte mit persönlichen Erlebnissen nach der Vertreibung, als er als damals Fünfzehnjähriger in Wolfenbüttel erstmals wieder an einem katholischen Gottesdienst teilnahm.

Auch in der evangelischen St.-Trinitatis-Kirche hielt ein Landeshuter, der Pfarrer Walter Busch, Thedinghausen, zusammen mit Pastor Heinrich Denecke, St. Trinitatis, den Gottesdienst. Und auch hier wurde das Wort verkündet, dass Gott alle Not wenden kann, dass er den Menschen Zuflucht schenkt, neue Hoffnung, neuen Glauben. Das Abendmahl, das am Ende des Gottesdienstes ausgeteilt wurde, verzögerte den Beginn der Heimatkundgebung auf dem Landeshuter Platz. Doch die Teilnehmer warteten voll Verständnis, bis die evangelischen Landsleute das Gotteshaus verlassen und sich auch auf dem Landeshuter Platz eingefunden hatten.

1986 – Heinz Kulke begrüßt die Teilnehmer der Kundgebung am Landeshuter Platz, spricht anschließend die Worte der Totenehrung und hält die Festansprache im Gedenken an Gerhart Hauptmann. Neben ihm stehen der stellvertr. Bürgermeister Axel Gummert und Landrat Ernst Henning Jahn.

Heinz Kulke, der Ortsvorsitzende der Landsmannschaft Schlesien, der Karl Vogt, dem neuen Sprecher der Landeshuter und dem Arbeitskreis Landeshut in dieser schwierigen Übergangszeit mit Rat und Tat zur Seite stand, begrüßte die Anwesenden. Darunter den Landrat und den Oberkreisdirektor, den stellvertretenden Bürgermeister und den Stadtdirektor, die Vertreter der Kirchen und die Angehörigen der Familie Rock.

Landrat Ernst-Henning Jahn offenbarte sich in seiner Begrüßungsrede einmal mehr als der treue Begleiter der Schlesier, der Vertriebenen, als Sachwalter der Patenschaftsarbeit. Auch nach 35 Jahren habe die Patenschaft nicht an Bedeutung verloren, sagte er, und setzte sich erneut für das Heimatrecht aller Europäer ein. Der stell-vertretende Bürgermeister Axel Gummert rief dazu auf, dem Vergessen und Verdrängen des erduldeten Leidens durch Vertreibung und Entwurzelung entgegen zu arbeiten und überdies wünschte er den Vertriebenen, immer Mitglieder zu haben, die die Patenschaft aufrecht erhalten können.

Heinz Kulke sprach dann die Worte der Totenehrung über die mehrhundertköpfige Menge der Landeshuter und gedachte dabei besonders des seit dem letzten Treffen verstorbenen Edelhard Rock und seiner Frau Amalie. Dabei wurden Kranzgebinde der Stadt und des Kreises Wolfenbüttel, sowie des Arbeitskreises Landeshut niedergelegt. Währenddessen traten die beiden Enkelsöhne der Familie Rock, Rüdiger und Thomas, mit an das Ehrenmal der Landeshuter, während vom Band die Glocken von Grüssau und Landeshut erklangen und die Kapelle „Zam Jürges“ das Lied „Vom guten Kameraden“ spielte.

1986 – Totenehrung und Kranzniederlegung. Landrat Ernst-Henning Jahn (links), stellvertr. Bürgermeister Axel Gummert (2. von rechts).

Der Festredner der Heimatkundgebung, der stellvertretende BdV-Landesvorsitzende in Niedersachsen, Herbert Förster, musste kurzfristig absagen. So erklärte sich Heinz Kulke dazu bereit, eine Rede über „Gerhart Hauptmann als Mahner zur deutschen Einheit“ zu halten. Viele Aussprüche, viele Bekenntnisse zum deutschen Vaterland, die der Dichter besonders in den schweren Jahren nach dem ersten Weltkrieg gesprochen oder verfasst hatte, wurden zum bestimmenden Inhalt der Rede. Die Kundgebung wurde mit dem Singen der dritten Strophe des Deutschlandliedes beendet.

Kurz darauf fand ein schlesischer Heimatnachmittag in der Lindenhalle statt, der vom Ostdeutschen Singkreis aus Goslar unter der Leitung von Heinrich Koisarek gestaltet wurde. Ein reichhaltiges Programm mit Eichendorff-Liedern, vielen schlesischen Heimatliedern und Auszügen aus schlesischen Dichtungen erfreute das Publikum. Es war ein gut durchdachtes Programm, das Erna Hensel verantwortet hatte. Dann begann die Zeit des Abschiednehmens. Vor allem die auswärtigen Teilnehmer traten gegen Abend die Heimreise an.

Den Ausklang des Heimattreffens bildete wieder eine Informationsfahrt längs der deutsch-deutschen Grenze. Der Bus fuhr in Richtung Langelsheim durch schmucke niedersächsische Bauerndörfer. Hinter Salzgitter-Bad breitete sich vor unseren Augen das herbstliche Land aus. Schließlich erreichten wir Langelsheim, wo uns vor dem Heimatmuseum bereits unser Heimatfreund Georg Kleinwächter aus Mittelkonradswaldau erwartete. Er ist Stadtkämmerer und stellvertretender Stadtdirektor von Langelsheim und dazu ein sehr aktiver Betreuer und Förderer des Heimatmuseums, welches in einer in den Jahren 1870/71 erbauten Schule untergebracht ist.

Die Teilnehmer der Fahrt waren an den Ausstellungsgegenständen sehr interessiert. Neben Exponaten niedersächsischer Bauernkultur gab es auch einen Ausstellungsraum mit ostdeutschem Kulturgut, der viel Beachtung fand.

Die Fahrt führte weiter nach Goslar und die Teilnehmer hörten um 12.00 Uhr auf dem Marktplatz das Glockenspiel mit der alten Bergmannsmelodie, die wir auch aus der Heimat kennen: „Glück auf, ihr Bergleut` jung und alt, seid frisch und wohlgemut!“. Nach einem kleinen Stadtrundgang fand das Mittagessen dann in „Willeckes Lust“ statt. Dann rollte der Bus weiter, vorbei an Schöppenstedt nach Schöningen und Hötensleben, wo ein Bach dieses Dorf von der Bundesrepublik trennt, so dass man nur dessen Dächer sehen konnte, welche die zwei Meter hohe Betonmauer überragten. Polizei-obermeister Wedber vom Bundesgrenzschutz gab dann die notwendigen Erklärungen, damit man den Grenzverlauf verfolgen konnte. Später wurde nochmals bei Offleben an der Zonengrenze gehalten, wo jenseits der Grenze ein massiver Wachturm beinahe drohend herüber blickte. Die Fahrt führte weiter durch den Elm. In Langeleben, so erzählte der Busfahrer, waren in den letzten Kriegstagen bei einem Bombenabwurf 35 Kinder, die hier in einem Kinderheim lebten, tödlich getroffen worden. Ein steinernes Kreuz rechts der Straße erinnerte an diesen unsinnigen und für die Eltern so schmerzlichen Tod der Kinder. Durch das Reitlingstal im Elm fuhr man abschließend zum gemütlichen Kaffetrinken bei einer Gaststätte vor, ehe die interessante Informationsfahrt unser diesjähriges Heimattreffen beschloss.

26. Landeshuter Kreisheimattreffen vom 19. bis 22. August 1988

1988 – Festplakette zum 26. Landeshuter Kreisheimattreffen.

Schlesiens höchster Berg, die Schneekoppe, stand im Mittelpunkt der Festplakette für das 26. Landeshuter Kreisheimattreffen, die der Wolfenbütteler Grafiker Heinz Kastner entworfen hatte. 1300 Heimatfreunde aus nah und fern trugen das Bild der Heimat für ein Wochenende durch ihre Patenstadt Wolfenbüttel.

Die Landeshuter Tage begannen am Freitag im Kaffeehaus, wo sich 58 ehemalige Schüler der weiterführenden Schulen von Landeshut und Liebau trafen. Abends fand dann im Casino des Kaffeehauses ein gut besuchter Dia-Vortrag von Karl Vogt unter dem Thema „Landeshut einst und heute“ statt. Die Aufnahmen aus der Vorkriegszeit hatte Gernot Flemig, Hemer, zur Verfügung gestellt, der aus gesundheitlichen Gründen leider nicht dabei sein konnte. Das heutige Landeshut der Jahre 1984 und 1986 war durch Aufnahmen von Karl Vogt festgehalten. Dieses Wiedersehen mit der Heimat fand bei den Zuschauern eine große Resonanz.

Am Sonnabendnachmittag füllte sich der Saal der Lindenhalle mit über 800 Teilnehmern und man nutzte die Zeit bis zur offiziellen Eröffnung für persönliche Begegnungen. Parallel dazu fand ein gesondertes Treffen der Pfarrgemeinde St. Peter und Paul in einem Nebensaal statt. Dort berichtete Pfarrer Wolfgang Gottstein von seinem Besuch in Landeshut 1987 und von seinem silbernen Priesterjubiläum, das er in seiner alten Pfarrkirche in Landeshut feiern durfte.

Im mit Fahnen geschmückten Saal fand am Abend die offizielle Eröffnung des Landeshuter Kreisheimattreffens statt. Der Vorsitzende des Arbeitskreises Landeshut, Karl Vogt, begrüßte als Ehrengäste den stellvertretenden Landrat Pastor Rudolf Quitte, den leitenden Baudirektor Gerhard Maier als Vertreter des Oberkreisdirektors und den Bundestagsabgeordneten Helmut Sauer.

1988 – Der Vorsitzende des Arbeitskreises Landeshut Karl Vogt eröffnet das Landeshuter Kreisheimattreffen.
1988 – Der Bundestagsabgeordnete Helmut Sauer bei der Kundgebung in der Lindenhalle.

In seinem Grußwort, das er auch im Namen der Stadt Wolfenbüttel überbrachte, bekundete der stellvertretende Landrat Quitte die Richtigkeit des Tagungsmottos „Unser Herz schlägt für Schlesien“. Helmut Sauer MdB, zugleich Vorsitzender der Landsmannschaft Schlesien in Niedersachsen und BdV-Vizepräsident, rief dazu auf, nicht müde zu werden, für das Recht auf Selbstbestimmung einzutreten. Im Anschluss an den offiziellen Teil des Abends bot die Harzheimatgruppe „Zweigverein Wolfenbüttel“ unter der Leitung von Horst Teubert ein vielseitiges folkloristisches Programm dar, das viel Beifall erntete. Danach spielte das „Trio Ludwig“, das aus schlesischen Heimatfreunden besteht, zu Tanz und Unterhaltung auf.

1988 – Teilnehmer des Kreisheimattreffens in der Lindenhalle. – Johanna Kraus, geb. Rinke, Richard Radetzki, Herr Elstner (von links).

Am Sonntagmorgen nahmen wieder zahlreiche Heimatfreunde an den Gottesdiensten in der evangelischen St.-Trinitatis-Kirche und der katholischen St.-Petrus-Kirche teil, um in alter heimatlicher Weise in Lied und Wort Gott zu loben und zu preisen. In der St.-Trinitatis-Kirche hielt Oberlandeskirchenrat Hans-Joachim Rauer, Hannover, der in Liegnitz geboren und in Landeshut konfirmiert wurde, mit Pastor Heinrich Denecke, St. Trinitatis, den Gottesdienst. In der St.-Petrus-Kirche konzelebrierten Pfarrer Wolfgang Gottstein, Ulm, Pfarrer Strecker und Dechant Oppermann das Festhochamt. In beiden Kirchen wurden die Kollekten als erster Beitrag zur Stiftung eines farbigen Kirchenfensters für die Sakristei der Gnadenkirche in Landeshut gesammelt. Der schlesische Künstler Seidel aus Glogau wird drei solcher Fenster mit biblischen Motiven anfertigen.

Den Höhepunkt des 26. Heimattreffens bildete die Heimatkundgebung am Landeshuter Platz. Der Vorsitzende des Arbeitskreises Landeshut, Karl Vogt, begrüßte die versammelten Landeshuter, sowie die beiden Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Wolfenbüttel-Salzgitter Helmut Sauer (CDU) und Wilhelm Schmidt (SPD). Als Vertreter des Landkreises waren Oberkreisdirektor Dr. Hartmut Koneffke und der stellvertretende Landrat Rudolf Quitte erschienen. Seitens der Stadt Wolfenbüttel konnte Vogt den Stadtdirektor Helmut Riban und die stellvertretende Bürgermeisterin Ruth von Löbbecke begrüßen.

Bei seinen Begrüßungsworten stellte Vogt heraus, dass es den Landeshutern bei ihren Treffen nicht um Revanchismus gehe, sondern darum, sich an die Kindheit zu erinnern, die Jugendzeit wachwerden zu lassen und wieder einmal Schlesisch miteinander reden zu können. Wörtlich sagte er: „Es geht niemals um Rachegedanken, sondern um ein friedliches Miteinander in ganz Europa. Schlesien ist ein Teil dieses Europas.“

Zur Totenehrung sprach Oberstudienrat i. R. Nikolaus Scholz die Gedenkworte, während die Glocken von Grüssau und Liebau erklangen. Stadt und Landkreis Wolfenbüttel, sowie der Arbeitskreis Landeshut legten währenddessen Kränze am restaurierten Landeshuter Ehrenmal nieder, vor dem nun auch ein Gedenkstein zu Ehren des 1985 verstorbenen Bundessprechers der Landeshuter, Edelhard Rock, seinen Platz hat.

1988 – Kranzniederlegung am Landeshuter Ehrenmal. – Der Vorsitzende des Arbeitskreises Landeshut Karl Vogt, die stellvertr. Bürgermeisterin Ruth von Löbbecke, Stadtdirektor Helmut Riban, Oberkreisdirektor Dr. Hartmut Koneffke und der stellvertr. Landrat Rudolf Quitte (von links).
1988 – Der neue Gedenkstein für Edelhard Rock (1908 – 1985).

Danach ergriff der stellvertretende Landrat Rudolf Quitte das Wort und erinnerte daran, dass seit dem ersten Treffen der Landshuter 1950 stets Gelegenheit zum Erzählen und zum Austausch von Erinnerungen war. In jüngster Zeit habe sich die Änderung vollzogen, dass der Wunsch nach gedruckten Erinnerungen von Zeitzeugen immer stärker geworden sei. Die Enthüllung des Gedenksteines für Edelhard Rock sei der Beweis des Willens, Geschichte aufzuzeichnen und sich zu erinnern.

Ruth von Löbbecke meinte in ihrem Grußwort, dass die Pflege des Heimatgedankens sich nicht nur auf Rückschau beschränken darf. Vielmehr sei ebenfalls erforderlich, das kulturelle und politische Erbe Schlesiens zu bewahren. Otto Kunath, Kreisvorsitzender des Bundes der Vertriebenen, wies darauf hin, dass die Pflege des Heimatbewusstseins zu einem aktiven Eintreten für Frieden und Freiheit führe. Er betonte auch das Recht und die Pflicht zur Wiedervereinigung aller Deutschen.

Als Festredner sprach der Lt. Reg. Direktor i. R. Dr. Hansgeorg Loebel, Hannover, zum Thema „Heimatfähigkeit – Grundvoraussetzung europäischer politischer Kultur“. Europa gestalte nicht mehr Geschichte, an ihm vollziehe sich Geschichte, sagte Dr. Loebel und folgerte daraus, dass die Europäer eine Standortbestimmung vornehmen müssten. Als Gemeinschaft heimatfähiger Völker sei es die Aufgabe Europas, auch für diejenigen eine Heimat zu schaffen, die ihrer eigenen Heimat beraubt worden seien. Im Folgenden definierte Dr. Loebel den Heimatbegriff. Der Mensch schaffe aus der Natur- eine Kulturlandschaft und es finde eine Begegnung zwischen Menschen statt, die sich einen gemeinsamen Schutzraum aus normativen Bindungen erstreiten. Daraus ergebe sich ein Dreieck „Mensch – Mitmensch – umgebender Raum“, der als Ganzes Heimat darstelle. Dieses Dreieck werde in den Treffen der Vertriebenen wieder lebendig, wenn in Gesprächen und Erinnerungen der schlesischen Heimat gedacht werde. Durch die Integrationsleistung in den Nachkriegsjahren sei aber auch eine neue Heimat geschaffen worden, ohne Waffen und Eroberung und darum hat Europa 1945/46 gewonnen, auch wenn das vielen noch nicht bewusst geworden ist. Mit der 3. Strophe des Deutschlandliedes schloss die Kundgebung. Umrahmt wurde diese Feierstunde mit Liedern, die die „Schlesische Singgruppe Wilhelmshaven“ unter der Leitung von Werner Maywald und die Wolfenbütteler Kapelle „Zam Jürges“ darboten.

1988 – Blick auf die Teilnehmer der Kundgebung am Landeshuter Platz.

Am Sonntagnachmittag drängten sich die Menschen im Foyer und im Saal der Lindenhalle, um ihre Begegnung fortzusetzen. Noch einmal gab die „Schlesische Singgruppe Wilhelmshaven“ einige schlesische Lieder zum Besten und Werner Maywald unterhielt mit Gedichten in schlesischer Mundart. Das „Trio Ludwig“ spielte bis in den Abend alte und neue Melodien. Dann lichtete sich die Halle allmählich, denn viele der Landeshuter mussten ihre Heimfahrt antreten.

Es war schon Tradition, dass zum Abschluss des Heimattreffens am Montage wieder eine Busfahrt an die deutsch-deutsche Grenze stattfand, an der ca. 50 Heimatfreunde teilnahmen. Zunächst führte die Reise in die alte Kaiserstadt Goslar. Anschließend fuhren die Teilnehmer durch den schönen Oberharz nach Clausthal-Zellerfeld, wo das Bergbau-Museum besichtigt wurde. Unter sachkundiger Führung erfuhr man Wissenswertes über die Geschichte des Harzer Bergbaus und konnte sich beim Gang durch alte Erzbergwerkstollen überzeugen, unter welchen Schwierigkeiten das Erz früher abgebaut und nach oben befördert wurde. In St. Andreasberg wurde dann Mittagsrast eingelegt. Das Wetter wurde besser und Sonnenschein begleitete den weiteren Fahrtverlauf. Gegen Nachmittag gelangte man nach Hornburg, wo der Bus von Angehörigen des Bundesgrenzschutzes erwartet wurde. Hier wurden den Teilnehmern der genaue Grenzverlauf und die Staffelung der Grenzsperranlagen der DDR erläutert. Die anschließende Kaffeepause wurde in der Waldgaststätte „Willeckes Lust“ eingelegt. Nach einem kleinen Spaziergang in der spätsommerlichen Natur kehrte die Reisegruppe gegen 18.00 Uhr nach Wolfenbüttel zurück. So endete wieder ein Heimattreffen der Landeshuter, die durch ihren Besuch in Wolfenbüttel deutlich machten, dass sie, ganz gleich wo sie heute zu Hause sind, sich nach wie vor mit ihrer alten Heimat eng verbunden fühlen.